Innenminister Joachim Herrmann stellt Verfassungsschutzinformationen für das 1. Halbjahr 2018 vor

07.08.2018

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann stellt Verfassungsschutzinformationen für das 1. Halbjahr 2018 vor: Islamismus bleibt die größte Bedrohung - Rückgang rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten - Auch linksextremistische Gewalt abweichend vom Bundestrend rückläufig

 Bayern ist im 1. Halbjahr von schweren extremistischen Gewalttaten verschont geblieben. Dennoch hält Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach wie vor den Islamismus für die größte Bedrohung unserer Gesellschaft. Herrmann sagte bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das 1. Halbjahr 2018, das nach wie vor weltweit die meisten Anschläge, denen Menschen zum Opfer fallen, auf das Konto gewaltbereitbereiter Islamisten gehen. Auch in Deutschland bestehe eine hohe Gefahr jihadistisch motivierter Gewalttaten. Ein positiver Trend zeichnet sich bei den rechts- wie linksextremistisch motivierten Gewalttaten ab. Hier war ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. 

Im Internet kursieren verschiedene Anleitungen für die Herstellung von Giftstoffen, die als Tatmittel für terroristische Anschläge verwendet werden können. "Wie der Fund von Rizin  in NRW verdeutlicht, sind gewaltbereite Islamisten in ihrem Kampf gegen Ungläubige und die verhassten westlichen Gesellschaften sogar bereit, biologische Kampfstoffe einzusetzen." Ein wachsames Auge haben die Behörden nach den Worten des Bayerischen Innenministers auf die Rückkehrer aus den Krisengebieten in Nahost. Auch die salafistische Missionierungsarbeit, die sogenannte Da`wa-Arbeit stehe weiterhin im Fokus. Der Verfassungsschutz stelle zunehmend fest, dass ein Großteil der Aktivitäten hier immer konspirativer wird. So agierten Szeneangehörige in geschlossenen Internetgruppen und vernetzen sich durch geheime Treffen, beispielsweise in Wohnungen. Auch in Bayern seien neue Missionierungsprojekte feststellbar.

Einen Schwerpunkt rechtsextremistischer Aktivitäten bildeten im 1. Halbjahr 2018 erneut bürgerwehrähnliche Patrouille-Aktionen. Die Szene mache sich dabei zunutze, dass tatsächliche oder behauptete Straftaten von Migranten, insbesondere Übergriffe auf Frauen, Ängste in der Bevölkerung hervorrufen. Herrmann: "Ein besonderes Auge haben die Verfassungsschützer dabei auf die Identitäre Bewegung und deren oft perfide öffentlichkeitswirksame Aktionen. So versuchen die Identitären  unter dem Stichwort des „Großen Austauschs“ den Eindruck zu erwecken, dass eine Verdrängung der einheimischen Bevölkerung durch Migranten von der politischen und kulturellen Elite angeblich gewollt und Gewalttaten gegen die Bevölkerung von ihr in Kauf genommen würden."

Erfreulich ist für Herrmann dennoch, dass im 1. Halbjahr 2018 weniger rechtsextremistische motivierte Straftaten und auch Gewalttaten gezählt wurden. So gab es bei den Gewalttaten einen Rückgang um 62 Prozent von 39 auf 15. Während im ersten Halbjahr 2018 noch 577 rechtsextremistisch motivierte Straftaten gezählt worden, so waren es im Vergleichszeitraum des Vorjahres noch 657.

Immer stärker sichtbar werden die Aktivitäten der linksextremistischen Szene, die die von ihr als rassistisch und faschistisch denunzierte Rechts- und Gesellschaftsordnung in unserem Land bekämpft. Vor allem Vertreter von Parteien und Unternehmen geraten zunehmend ins Visier der Szene. Die bundesweit steigende Gewaltbereitschaft sei Anlass zur Sorge,  so Herrmann. Von 2012 bis 2017 stieg die  Zahl der linksextremistischen Gewalttaten bundesweit von 876 auf 1.648 und damit um 88 Prozent an. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten im selben Zeitraum von 7.100 auf 9.000 Personen an. Auch in Bayern hat sich zwischen 2012 und 2017 die Gesamtzahl der linksextremistischen Straftaten nahezu verdoppelt. Ein anderes Bild zeigt sich in Bayern demgegenüber bei den linksextremistischen Gewalttaten: Hier ist – nach einem starken Anstieg im Jahr 2015 -  mit bislang 17 erfassten linksextremistischen Gewalttaten im ersten Halbjahr die Tendenz erneut weiter rückläufig. Herrmann: "Ob diese – vom Bundestrend abweichende – Entwicklung anhält, bleibt abzuwarten."

Die Bayerischen Sicherheitsbehörden arbeiten weiterhin konsequent an der Aufhellung der Reichsbürgerszene im Freistaat. Zum 30. Juni dieses Jahres lagen zu rund 4.200 Personen belastbare Hinweise zur Szenezugehörigkeit vor – bis zu 400 Anhänger müssen zum harten Kern gerechnet werden. Herrmann meldet dazu erneut Erfolge bei der Entwaffnung von Reichsbürgern: "In Bayern wurden bis zum 30. Juni 2018 297 Reichsbürger mit zum Teil mehreren waffenrechtlichen Erlaubnissen identifiziert und gegen alle Inhaber Widerrufsverfahren durch die Waffenbehörden eingeleitet. Bislang wurden durch Widerruf oder auf Grund freiwilligen Verzichts 358 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen und 655 Waffen abgegeben.“

Abschließend zog Herrmann eine positive Bilanz zum vor fünf Jahren neu eingerichteten Cyber-Allianz Zentrum in Bayern. In rund 900 Fällen wurde das Zentrum bereits um Unterstützung gebeten, um mögliche Cyber-Angriffe auf Einrichtungen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu erkennen und wirksame Gegenmaßnahmen zu ermöglichen. Herrmann: "Bei mehr als 200 Fällen bestand dabei der Verdacht eines nachrichtendienstlich gesteuerten elektronischen Angriffes."

Herrmann fasste zusammen, dass in einer immer komplexer werdenden Welt auch die Herausforderungen für den Verfassungsschutz immer vielfältiger und komplexer würden. "Nicht nur Rechts- und Linksextremisten und Islamisten fordern unsere offene Gesellschaft heraus, sondern auch Reichsbürger, Ausländerextremisten, Scientologen und Islamfeinde. Die Sicherheitsbehörden müssen stetig wachsam bleiben, um Gefahren für unsere Bevölkerung frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.“